Tilman Rossmy über Ludwig Wittgenstein. Wovon man nicht sprechen kann…

10. April 2010 | By Jonas | Filed in: Philosophie.

Heute gibt es leider keinen Song zu hören und auch kein Video zu sehen, sondern nur den dazugehörigen Text zu lesen. Ihr verpasst dabei allerdings bloß ein bisschen 0815-Singer/Songwriter-Geklimper, das kann man sich ohne viel Mühe dazudenken.

Meine Freundin studiert Philosophie, sie ist spezialisiert auf Wittgenstein,
und immer wenn ich ihr sag, daß ich sie lieb, dann sagt sie zu mir, daß das nicht stimmt,
sie sagt:

Wie kannst du dir sicher sein, daß du mich liebst,
wenn Wittgenstein sagt, daß es noch nicht mal sicher ist,
daß es die Welt überhaupt gibt.
Wittgenstein sagt
Wittgenstein sagt
Oder war es Russel oder war es Kant?

Nein, ich denk es war Wittgenstein, denn da sind Bilder von Wittgenstein an ihrer Wand
und sie vermitteln den Eindruck, Wittgenstein war ein ziemlich trauriger Mann
und das kann ich gut verstehen, denn er hat so hart gearbeitet an seinem Schreibtisch
und dann hat er rausgefunden, daß die Welt alles das ist, was der Fall ist.
O.k., ich kann mir nicht helfen, davon bin ich auch nicht so besonders beeindruckt
und dann sagt sie zu mir: Siehst du, das ist immer das Problem mit dir,
du bist immer so arrogant, du bist dir immer so sicher, aber:

Wie kannst du dir sicher sein, daß du mich liebst,
wenn Wittgenstein sagt, daß es noch nicht mal sicher ist,
daß es die Welt überhaupt gibt.
Wittgenstein sagt
Wittgenstein sagt
Oder war es Russel oder war es Kant?

Und ich glaub ich diskutier lieber nicht mehr mit ihr darüber,
es gibt immer nur Ärger, aber unter uns gesagt: Moderne Philosophie ist ein Haufen Blödsinn!
Ich mein, es ist mir egal, was dieser Wittgenstein sagt, ich weiß, daß ich sie lieb, ich kenn den Unterschied.
Ich lieb ihre Augen, ich lieb die Liebe, die wir machen,
ich lieb wie sie aussieht, wenn sie morgens neben mir aufwacht,
ja, ich lieb fast alles an ihr.
Am Anfang hab ich alles an ihr geliebt, jetzt lieb ich nur noch fast alles an ihr,
aber ich lieb sie, ich lieb sogar ihre zickige Art – o.k. mal mehr, mal weniger.

Tilman Rossmy – Wittgenstein sagt

Vorneweg: Ich habe selten einen so bornierten Song gehört! Man muss sich ja nicht unbedingt viel aus Philosophie machen, aber ganz so dummdreist wie Tilman Rossmy es tut, sollte man ihr nicht gegenübertreten. Zwar vertrete ich die Ansicht, dass die Schluchten zwischen Theorie und Praxis über ein gehöriges Maß an Komikpotenzial verfügen, welches auch tunlichst genutzt werden sollte, allerdings muss man dafür dann auch immerhin ein Mindestmaß an Verständnis für das Thema mitbringen. Genug also zu Tilman Rossmy, widmen wir uns nun ganz Ludwig Wittgenstein:

Der kleine Ludwig wird am 26. April 1889 in Wien als Sohn einer reichen Industriellenfamilie geboren. Seine Geschwister und er waren allesamt künstlerisch und/oder intellektuell begabt, aber ebenso zart besaitet. So begingen drei seiner sieben Geschwister Selbstmord, und auch Ludwig litt immer wieder unter depressiven Verstimmungen und war oft unsicher im Umgang mit anderen Menschen.

Nachdem er sich gegen eine Ingenieurslaufbahn und für die Philosophie entschieden hatte, studierte Wittgenstein in Cambridge bei Bertrand Russell, trat in die elitäre Geheimgesellschaft der Cambridge Apostles ein und verliebte sich in seinen Kommilitonen David Pinsent. So weit also alles recht normal für ein außergewöhnliches Genie.

In Wittgensteins philosophischem Werk geht es hauptsächlich um Logik, Sprache und das Bewusstsein. Bevor ich euch allerdings jetzt mit irgendwelchen Details dazu langweile, von denen ich selbst nicht viel Ahnung habe und die ich wohl auch nicht wirklich verstehen würde, als Abschluss lieber noch ein wenig Trivia, die uns gleichzeitig wieder in für indiestreber relevante Gewässer bringt. Der Schlusssatz von Ludwig Wittgensteins erstem Buch “Tractatus Logico-Philosophicus” hat nämlich eine bedeutende Band der Hamburger Schule zu einer Anspielung inspiriert. Er lautet: “Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.”

Tocotronic – Ich muß reden, auch wenn ich schweigen muß

Der Post erschien ursprünglich im Rahmen der „Reise durch die Zeit.


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