The Cooper Temple Clause – Let’s Kill Music
Wir bleiben weiterhin im 19. Jahrhundert, und es geht in gewisser Weise immer noch um Umbrüche, wenn auch nicht ganz so weltbewegende. Heute ist das Bildungssystem in England dran. Es geht um den Elemantary Education Act von 1870, der die schulische Ausbildung der Grundschüler regelte, genauer gesagt um eine kleine aber feine Ergänzung davon. Benannt nach dem für sie Verantwortlichen, William Cowper-Temple, sorgte diese Klausel dafür, dass Eltern ihre Kinder vom Religionsunterricht befreien durften.
Und hier liegt die etwas obskure Verbindung zur heutigen Band des Tages. Wie man weiß, ist die Namesfindung von Bands ein mannigfaltiges Phänomen, das eigentlich einmal in aller Ausführlichkeit untersucht gehört. Sich nach Tieren, Krankheitsbildern, Berufsständen oder einfach nur irgendwie cool klingenden Ausdrücken zu benennen ist jedenfalls noch halbwegs normal – aber seinen Namen von einer Klausel eines Gesetzes aus dem 19. Jahrhundert zu übernehmen, damit stehen The Cooper Temple Clause aus Reading ziemlich alleine auf weiter Flur. Dazu kommt noch, dass Religionskritik wohl nie subtiler in einen Bandnamen verpackt wurde, der außerdem auch noch vollmundig klingt.
Anstatt sich für ihre Cleverness selbst auf die Schulter zu klopfen, finden es die sechs Jungs allerdings viel cooler, sich frei erfundene Geschichten über die Herkunft ihres Namens auszudenken und diese den Fans sowie den unwissenden Herren Musikjournalisten zum Fraß vorzuwerfen. Doch einer davon scheint in Geschichte gut aufgepasst zu haben und ist der Band dadurch auf die Schliche gekommen.
In ihrer aktiven Zeit zwischen 1998 und 2007 haben The Cooper Temple Clause drei Alben veröffentlicht – die ersten beiden sind großartig und das dritte (“Make This Your Own”) ist das wohl liebenswerteste missglückte Album, das ich kenne. Dabei hat es die Band trotz NME-Hype im UK hier in Deutschland nie über den Status des Geheimtips hinaus gebracht. Als Ausgleich dafür habe ich sie allerdings in meinem Jahrzehntrückblick zur Genüge abgefeiert, deshalb verschone ich euch jetzt damit und wünsche euch stattdessen noch einen schönen Tag im Viktorianischen England.
Der Post erschien ursprünglich im Rahmen der „Reise durch die Zeit„.
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