Josh Ritter und andere über Idaho. Dreaming that I’m free.

20. Oktober 2010 | By Fabi | Filed in: Erdkunde.

Josh Ritter – Idaho (live in Seattle)

Gigantische Steppen und Bergketten. Felder soweit das Auge reicht. Ödnis. Wildnis. Das ist Idaho. Der 43ste Staat US-Amerikas, auch “Gem State” oder “Wilderness State” genannt, wirkt auf den ersten Blick wie ein Überbleibsel vergangener Wildwest-Zeiten und auf den zweiten Blick einfach wie ein gähnend langweiliger Provinzstaat. Doch ein dritter Blick überrascht …

Auf einer Fläche von der Größe Großbritanniens finden sich in Idaho knapp anderthalb Millionen Menschen. Zum Vergleich: Alleine im Rhein-Main-Gebiet leben – je nach Definition – zwei bis dreimal so viele. Der Staat, der seit über vierzig Jahren zuverlässig republikanische Präsidentschaftskandidaten unterstützt, hat wenig von der sonst so US-typischen Diversität. Über 95 Prozent der Bevölkerung sind weiß, die einzige Großstadt des Landes – Boise – ist etwa so groß wie Mainz, liegt aber über 500 Kilometer von der nächsten vergleichbar großen Siedlung entfernt. Dazwischen Felder, Felder, Berge und noch mehr Felder. Ist Idaho also immer noch Grenzland, fern und abgeschieden jeglicher Zivilisation? Anscheinend – zumindest wenn man von der kulturellen Zivilisation spricht.

Denn schon ein Blick auf die Wikipedia-Liste “Bands from Idaho” offenbart, dass sich die geografische Lage anscheinend nicht im kreativen Sinne ansteckend auf die lokale Musikkultur auswirkt.1 Klar, Paul Revere & the Raiders kommen aus Idaho (wer kennt sie nicht), aber ist das überhaupt erwähnenswert? Neben einigen Bands in meist recht traditionell-US-Amerikanischer Pop-Rock-Tradition finden sich aber doch auch ein paar musikalische Perlen im Gem State. Am interessantesten für Indieander (sorry, den konnte ich mir grade nicht verkneifen, schließlich hat Idaho als US-Staat indianische Wurzeln) könnte etwa der massenkompatible Singer/Songwriter-Pop von Josh Ritter sein, der ordentlich (manche sagen: langweilig) nach Bob Dylan oder Leonard Cohen dünstet. Oder natürlich die guten alten Built to Spill, die seit 1992 abwechselnd in Portland und Seattle produzierten schräg-kuscheligen Indie machen.2

Built to Spill – Twin Falls

Wichtiger aber noch als diese paar Namen ist wahrscheinlich die inspirierende Wirkung Idahos auch auf Kulturschaffende jenseits der Wildnis. Vielleicht liegt es an der Weite, vielleicht liegt es auch einfach am Image des unbeschriebenen Blattes, welches jede Menge Projektionsfläche für Kreativköpfe birgt. Zahlreiche Musiker oder auch Filmemacher hat Idaho auf jeden Fall schon zu Glanzleistungen inspiriert. Man denke da zum Beispiel an “My Own Private Idaho”, das verstört-geniale Frühwerk des Regisseurs Gus Van Sant, der später mit Filmen wie “Good Will Hunting” oder spätestens “Milk” berühmt wurde. In besagtem ersteren Film suchen River Phoenix und Keanu Reeves nach ihrem Selbst und landen dabei unter anderem in Idaho. Der leicht schräge, unbekannte Irgendwo-Staat scheint als Kulisse ganz passend für einen Regisseur, der sich auch bei den Charakteren seiner Filme thematisch gerne Randgruppen oder Außenseitern annimmt.

Einen der schönsten musikalischen Bezüge zum Präriestaat hat aber sicherlich Nerina Pallot aus England hergestellt.

In the back of a car on a road in the dark,
In the stillicide, silently falling snow,
I have packed everything that I own in a bag,
And I’m driving, I’m driving to Idaho,
A poem for leaving, a reason to go,
So I’m driving, I’m driving to Idaho.

[…]

‚Cause I can’t be anyone but me, anyone but me,
And I can’t keep dreaming that I’m free, dreaming that I’m free,
I don’t want to fall asleep and watch my life from fifty feet,
My hands are on the wheel so I’m driving to Idaho,
‚Cause I hear it’s mighty pretty…
In Idaho.

Nerina Pallot hat für sich einen Song geschrieben, der ihr hilft (siehe Video unten), den Sinn ihrer Existenz zu fassen. Das verwendete Bild ist Idaho. Der weite Außenseiterstaat. Die unbegrenzten Möglichkeiten.

Nerina Pallot – Idaho (live @ Abbey Road studios in London)

Handout mit Bonus-Fakten.

Idaho ist:

  • voll von Mormonen. Rund ein Viertel aller Idahoans gehört nämlich der “Church of Jesus Christ of Latter-day Saints” an.
  • voll von Deutschstämmigen, denn die meisten Einwanderer des Landes kamen aus Deutschland.
  • eine der schnellstwachsenden Gegenden US-Amerikas. Seit 1990 ist die Bevölkerung des Landes um rund vierzig (!) Prozent gestiegen.
  • Produzent von rund dreißig Prozent aller US-Amerikanischen Kartoffeln.
  1. Und das obwohl direkt westlich von Idaho die brodelnden Indie-Metropolen Portland und Seattle liegen. []
  2. An dieser Stelle nicht erwähnt wird die Band “ Idaho” . Denn die macht Slowcore und kommt aus L.A. []

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2 comments on “Josh Ritter und andere über Idaho. Dreaming that I’m free.