Steve Cradock – Running away
Manchmal macht es uns schon der Pressetext leicht. Auf dem beigelegten Zettel zu Steve Cradocks Solo-Debut „The Kundalini Target“ steht nämlich schon drin, dass „Kundalini“ irgendetwas mit Yoga und hinduistischer beziehungsweise tantrischer Spiritualität zu tun hat. Also schnell bei Wikipedia nachgeschaut, was Kundalini ist. Aber auch nach dem Lesen des zugehörigen Artikels ist man nicht so viel schlauer als vorher. Zumindest wenn man sich sonst nicht so recht für diesen Themenbereich interessiert.
Was ich rausgefunden habe, ist, dass nach der tantrischen Lehre die Kundalini-Kraft in uns allen wohnt und nur darauf wartet, herausgelassen zu werden. Das kann durch Meditation geschehen, aber auch durch Sex – aber wohl nur, wenn die Liebe den so entzündeten „Funken zu einem immer währenden Feuer […] entzünden“ kann. Und wenn dann alles klappt, die Kundalini-Kraft die Chakren des Körpers durchdringt, dann merkt man den Weg zur Erleuchtung unter anderem an anflutender Wärme, Kälteschüben, Zuckungen, chronischen und zeitweiligen Schmerzen im ganzen Körper, die sich diagnostisch schwer erfassen lassen, Schwankungen des Sexualtriebs, plötzlichen Lautäußerungen und ekstatischer Glückseligkeit. Ach ja, und an Visionen. Sagt zumindest unser liebstes Zentrum des Halbwissens. Und irgendwann hat man dann die Erleuchtung erreicht. Oder so ähnlich.
An dieser Stelle könnte man sich vielleicht denken, aus Steve Cradocks Musik höre man einen wie auch immer gearteten indischen Einfluss, ganz wie bei den Beatles zu Sgt. Pepper-Zeiten. Aber weit gefehlt. Der einzige Song, dem man seltsame Einflüsse vielleicht nachsagen könnte, ist der Titel- und Schlusssong „The Kundalini Target“, bei dem anscheinend alle Songs einfach übereinander gelegt wurden. Das klingt zwar auch nicht indisch, aber irgendwie seltsam. Irgendwas meditatives hat der Song allerdings schon irgendwie.
Viel besser hören sich die Lieder natürlich einzeln an. Und zwar jedes einzelne – vom Opener „Something Better“ über das oben als Video zu sehende „Running Away“ bis zum letzten „echten“ Song „Beware of Falling Rocks“. Unverkennbar ist dabei Cradocks Britpop-Prägung. Schließlich war er in den 90ern Gitarrist bei Ocean Colour Scene, einer der wichtigsten und erfolgreichsten1 Britpop-Bands. In den letzten zehn Jahren war er dann Livegitarrist beim Modfather Paul Weller.2 Ebenfalls nicht von der Hand zu weisen als Einflüsse sind wohl die großen Bands der 60er und 70er, von den Beatles bzw. George Harrison in der post-Beatle-Ära über die Animals bis zu den Kinks.
Das Album ist, wie gesagt, eigentlich durchweg großartig, für mich als Freund leicht bis schwer pathetischer Balladen stechen die klavieruntermalten „Still Trying“ und „Ask the Sound“ trotzdem ein kleines Stück heraus. Mein wippender Fuß mag dagegen vor allem „Beware of falling Rocks“ und „It’s Trancendental“, das zumindest mit Text und dem Sound des Songendes das im Albumtitel angesprochene Themengebiet streift.
Steve Cradock – The Kundalini Target (ab 8.10.2010, Haldern Pop Recordings/Cargo)
- und oft vergessenen [↩]
- Der im Gegenzug auch auf dem Album zu hören ist und in dessen Studio „The Kundalini Target“ augenommen wurde. [↩]
Tags: George Harrison, Ocean Colour Scene, Paul Weller, Steve Cradock, The Animals, The Beatles, the kinks
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