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Eine musikalische Reise durch die Zeit. Teil 55: Die 68er

von | 1.Mai 2010

Rainald Grebe – 1968

Um Rainald Grebes Song über die 68er zu verstehen, müssen wir zuallererst ins Jahr 2007 gehen: Kai Diekmann, Chefredakteur der BILD-Zeitung, schrieb ein Buch mit dem wunderbaren Titel Der große Selbstbetrug: Wie wir um unsere Zukunft gebracht werden, aus dem vor allem genau die von Rainald Grebe in seinem Songtext verarbeiteten und parodierten Vorwürfe im kollektiven Gedächtnis blieben:

Vorher waren alle Menschen froh.
Alle Menschen waren hetero,
weil Schwulsein ja eine Krankheit war
und da war keiner krank, Gott sei Dank.
Die 68er sind an allem schuld.

Single-Parties gab’s noch keine,
die SPD hatte noch Ortsvereine.
Die Ehe hielt bis zur Beerdigung
und nicht bis zur Selbstverwirklichung.
Die 68er sind an allem schuld.

Bei Problemen ging man nicht zum Therapeuten,
man ging in die Kirche oder gleich in die Kneipe.
Was ist Yoga, Yin und Yang und der ganze Dreck
gegen ein Halleluja und ein Herrengedeck?
Die 68er sind an allem schuld.

Dabei war es eigentlich kein Wunder, dass gerade Kai Diekmann als einer der bekanntesten Vertreter des Springer-Verlages hart gegen die bis heute von vielen Bewunderten 68ern um Rudi Dutschke und Co. schoss. Dass der Verlag in der damaligen Zeit gegen die Studenten anschrieb, wurde ja mittlerweile eingestanden, aber bis heute scheint das Thema eher ein rotes Tuch zu sein bei Springer.

Trotzdem ist, wenn man einem Interview von Rainald Grebe mit der taz glaubt, nicht alles reine Parodie in dem Lied. Vor allem sei es der Neid gegenüber der Generation: „Die haben etwas gerissen – und ich nicht. Das hat sich bei mir im Hinterkopf festgesetzt.“

Während Grebes Ode an die 68er 2008 geschrieben, wurde, einer Zeit, als die 68er-Bewegung von den Medien eher in ein kritisches Licht gerückt wurde, veröffentlichte PeterLicht sieben Jahre vorher ein Lied über die selben Menschen, das aber einen etwas anderen Punkt beleuchtet: Es geht um die Glorifizierung der eigenen Vergangenheit, und dass die permanente Beschäftigung damit nervt:

Ihr lieben Achtundsechziger
Danke für Alles – Ihr dürft gehn

[…]

Und macht euch noch eine schöne Zeit
Und erzählt euch untereinander wie das alles so war
Ihr könnt auch einen Dia-Abend machen
Einen Dia-Abend von der Revolution
Und da sitzt ihr dann alle
Und erzählt euch untereinander wie das alles so war
Bildet Netzwerke für eure Dia-Abende!

(Peterlicht – Ihr lieben 68er)

Der richtige Umgang, die richtige Sicht auf die 68er-Bewegung1 liegt – wie so oft – irgendwo dazwischen. Zwischen Diekmann, Peterlicht und Rainald Grebe – und den ganzen anderen.

  1. zu der es natürlich auch einen Wikipedia-Artikel gibt, falls ihr euch mehr informieren wollt []

künstlerkollektiv: ,

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