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Herrenmagazin – Das wird alles einmal dir gehören. Ein sensationeller Nachfolger eines Lieblingsalbums.

von | 17.August 2010

In den Jahren 2005 bis 2008 war es für mich unvorstellbar, dass mich je ein deutschsprachiger Text mehr berühren könnte als die Kettcar-Texte von Marcus Wiebusch. In dieser Zeit nahm ich jede sich bietende Gelegenheit wahr, Texte wie „Im Taxi weinen“ oder „Ich danke der Academy“ auf den dazugehörigen Konzerten lauthals mitzusingen. Am 4. Mai 2008 in Braunschweig zum Beispiel. Die Supportband damals: Herrenmagazin.

Inzwischen hat sich das Blatt gewendet. Ein erstes Kennenlernen mit Chili Con Carne im Hamburger „Nachtasyl“, der umjubelte Auftritt vor Kettcar, ein Release-Konzert bei „Michelle-Records“ und das zugehörige Album „Atzelgift“ schafften es tatsächlich, Marcus Wiebusch und Kettcar nicht nur zu verdrängen sondern nahezu vergessen zu machen. Besaß Kettcars Auftritt bei Omas Teich Festival bei mir allein nostalgischen Wert, bleibt jedes neue Lied der Kapelle Herrenmagazin aus Hamburg bei mir inzwischen für immer unauslöschbar im Ohr hängen.

Torsten Otto und „König Wilhelmsburg“ heißen die beiden markantesten Neuerungen auf dem zweiten Herrenmagazin Album „Das wird alles einmal dir gehören.“

Torsten Otto ist der neue Produzent. Genau wie Muff Potter auf ihrem Abschiedsalbum „Gute Aussicht“ ließ er auch die vier Herren Magazin ihr Album live einspielen. Dies sorgt für das ein oder andere musikalische Eselsohr, wahlweise auch für den einen oder anderen musikalischen Kaffeefleck. Bringt aber im Vergleich zum von Delbos Tobias Siebert hochwertig produzierten „Atzelgift“ den Vorteil mit, dass die Songs auf der Bühne um einiges leichter zu reproduzieren sein werden.

„König Wilhemsburg“ (so wird er auf der tollen wiederbelebten Herrenmagazin Homepage genannt) ist der neue Gitarrist. Der Sänger der nicht mehr existenten Peters ersetzte im letzten Jahr Gründungsmitglied Philipp Wildfang. „Er ist arrogant, fährt Mercedes A-Klasse, redet zu viel und manchmal auch einfach eine stabile Schulter und Vaterfigur für die gestrandeten Seelen dieser Band, wenn er nicht gerade masslos trinkt oder meckert.“ so wird der bandneuling auf der entsprechenden facebook-seite beschrieben.

Die Songs selber geben zu eintausend Prozent wieder, was Herrenmagazin ausmacht. Das sind intelligente, emotionale und eingängige Indierock-Hymnen, die bei mir Assoziationen zu den frühen Jimmy Eat World, Alkaline Trio oder Muff Potter erzeugen. Der mir in Musikhörerfahrung überlegene Münchener Autor Michael Sailer wirft auch Blumfeld, die Smiths, The Fall, Placebo oder Ton Steine Scherben in den übergroßen Topf der vergleichbaren Bands. Was dann wohl bedeutet, dass man Herrenmagazin nicht eins-zu-eins übersetzen kann. Allein eines sollte klar sein: All das, was Bands aus dem Herrenmagazin Dunstkreis (Schrottgrenze, Grafzahl oder Junges Glueck) jahrelang (leider) nur angedeutet haben, zelebrieren Herrenmagazin im ganz großen Stil: allgemein gültige und tausendfach interpretierbare Melodiespringbrunnen erschaffen, die den Spaß beschreiben, mit voller Wucht gegen die Wand zu laufen.

Herrenmagazin ist nicht mehr nur die Band um Gary- und Das Bierbeben-Schlagzeuger Rasmus Engler. All das Namedropping ist nicht mehr nötig. Die Band konnte Gisbert zu Knyphausen in „Alle sind so“ für ein Duett gewinnen. Der in Kritikerkreisen zurzeit angesagteste deutsche Songwriter ist es aber nicht, der „Das wird alles einmal dir gehören“ zu einem Großereignis macht. Das bekommen die vier Hamburger schon selber hin. „Erinnern“ ist das ohne Zweifel poppigste Stück, das Herrenmagazin je geschrieben haben und kratzt im Refrain gerade noch die Kurve zum deutschsprachigen Schlager. „Hals über Kopf“, „Gold für Eisen“ und „Onze“ gehören zu den großartigsten deutschsprachigen Songs, die ich je gehört habe. „Die Zeit heilt keine Wunden / Bild dir das bloß nicht ein / Sie haben die Bibel nur erfunden / Um selber Gott zu sein“ („Keine Angst“). Wer sich nicht zu schade ist, derlei Zeilen auf seine Platten zu pressen, ist ohnehin von der eigenen Heiligsprechung nur noch den berühmten Katzensprung entfernt. Wie schon der grandiose Vorgänger schließt das Album mit dem wuchtigsten Stück. In „Krieg“ wagt die Band sich musikalisch hinaus bis in ungewohnte Hardrock-Gewässer, spielt mit den dazugehörigen Klischees und geht trotzdem nicht unter.

Bei anderen Bands halten Nachfolger von Lieblingsalben selten das, was man sich von ihnen verspricht. The Gaslight Anthem sind das beste Beispiel. „Bands entwickeln sich halt weiter“ ist die in solchen Fällen oft skandierte Floskel. Zweifelsohne entwickelt sich auch Herrenmagazin auf dem zweiten Album weiter. Allerdings enttäuschen sie damit nicht, sondern begeistern auf ganzer Linie.

All diejenigen, die sich durch meine stark euphorisierten und ausschließlich subjektiv eingefärbten Worte dazu angestachelt fühlen, sind herzlich dazu eingeladen, auf einem der anstehenden Konzerte die vielen Punchlines von „Das wird alles einmal dir gehören“ zum Besten zu geben.  Ganz so wie ich es bis zum 4. Mai 2008 noch bei Kettcar getan hätte.

Herrenmagazin – Das wird alles einmal dir gehören (Motor, 3. September 2010)


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3 kommentare zu “Herrenmagazin – Das wird alles einmal dir gehören. Ein sensationeller Nachfolger eines Lieblingsalbums.”

  1. Mike meint:
    17.August 2010 at 7:02 pm

    AHHH! Wieso habt ihr das schon und ich net! Auch will, auch will!

  2. Thomas meint:
    17.August 2010 at 8:43 pm

    die intro hat’s auch schon…

  3. Mike meint:
    3.September 2010 at 6:39 pm

    Ihr hattet recht! =] Wunderbares Album!