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Muff Potter Interview wenige Wochen vor Bekanntgabe der Trennung (Teil 1)

von | 20.August 2009

ich hatte die ehre, wenige wochen vor bekanntgabe der bandauflösung ein interview mit brami und nagel von muff potter zu führen. das interview fand im rahmen des vainstream beastfests in wiesbaden statt. zwei wochen vor dem schock für alle muff potter fans. das konzert selbst war das bis dahin beste, was ich von muff potter gesehen hab, obwohl außer ihnen nur „brüllbands“ das programm füllten. ob bei diesem interview schon was von der trennung zu ahnen war? ich denke nicht… aber lest selbst. dies ist teil 1 meines muff potter interviews. teil 2 folgt morgen…

Indiestreber: Wir befinden uns gerade in einer Krise, was Wirtschaft und Musikbranche angeht. Ich habe ein bisschen den Eindruck, dass ihr diese Krise lockerer seht als viele andere. Wie nehmt ihr die Krise wahr? Bekommt ihr sie als Band überhaupt mit?

Brami: Ich persönlich krieg das immer nur über Spiegel-Online mit. Ich selber merk das gar nicht so. Wir sind natürlich auch in der Situation, dass wir keine Familie zu ernähren haben und nicht bei VW oder Opel arbeiten. Von daher tangiert uns das eigentlich nicht so.

Indiestreber: War der Albumtitel „Gute Aussicht“ ironisch gemeint? Meiner Meinung nach sind Lieder wie „Niemand will den Hund begraben“ und „Blitzkredit Bop“ eine Art ironische Gesellschaftskritik… Nagel, ist das ein Ziel von dir, den Leuten klar zu machen: „Haha. Wir haben schon immer gewusst, dass alles kaputt geht und jetzt seht ihr es“?

Nagel: Ja, schon aber ich möchte das absolut von mir weisen, dass ich ironische Texte mache. Das möchte ich auf keinen Fall. Bei Muff Potter ist nichts ironisch gemeint. Vielleicht wird schon mal spielerisch mit Positionen umgegangen, die man so einnehmen kann und es wird sich auch nicht immer total festgelegt aber eigentlich sind das nur Beobachtungen… Also ehrlich gesagt, rede ich sehr ungern über Texte. Dafür habe ich sie ja so geschrieben. Ich kann das nicht besser machen, in dem ich das selber analysiere oder so. Oft sind das nur Beobachtungen, wo es meiner Meinung nach gar nicht so wichtig ist, was die Aussage unterm Strich sein soll. Darum geht für mich zumindest nicht vorrangig beim Songtext. Wenn es mir um die Aussage ginge, würde ich glaube ich Artikel für Zeitschriften verfassen. Dann würde ich nicht Lyrik machen.

Indiestreber: Habt ihr manchmal Angst, dass die Leute sich zu sehr auf die Texte fixieren und die Musik im Gegensatz dazu zu kurz kommt?

Brami: Es ist so und war auch schon immer so, dass Muff Potter für ihre Texte bekannt waren. Das ist ja auch völlig in Ordnung. Wegen ihrer Musik sind Bands wie NoMeansNo bekannt. Wir machen keine wahnsinnig exotische Musik, obwohl ich unsere Musik schon ziemlich gut finde. Natürlich ist das so. Aber das ist halt was, was sich so entwickelt hat. Es ist nicht so, dass wir unsere Musik als Transportmittel für unsere Texte benutzen. Wir wollen schon in erster Linie Musik machen.

Indiestreber: Wenn ihr heutzutage anfangen würdet als Band, wenn ihr noch keine 5, 6 Alben draußen hättet, würdet ihr irgendetwas anders machen?

Nagel: Nein, ich glaube nicht. Ich glaube, dass es ganz gut so ist, wie wir die Band angefangen haben, dass man das macht, was einem Spaß macht und auch keine Angst davor hat, das auf ein größeres Level zu tragen. Wir haben uns immer gewehrt, in irgendwelche Szeneschubladen gesteckt zu werden und haben uns auch aus einer Menge Schubladen wieder herausgekämpft, in denen wir mal drin waren. Auf der anderen Seite kommen mir viele Bands von heute schon sehr karrieristisch und durchgeplant vor und das langweilt mich immer so zu Tode. Wenn ich sehe, dass zum Beispiel gestern auf dem Festival vor uns irgendwelche Zwanzigjährigen spielen, die dann einen unglaublichen Aufriss mit ihrem Equipment machen und sich selbst so ernst nehmen, dass ihnen jegliche Leichtigkeit fehlt, die man meiner Meinung nach als Zwanzigjähriger noch haben sollte. Also dass man einfach nicht professionell ist. Diese Professionalität widert mich teilweise so richtig an. Das war vor 5 oder 10 Jahren noch nicht so extrem. Aber vielleicht bin ich auch ein verbitterter alter Mann. Es fällt mir aber in den letzten Jahren auf, dass alles durchgeplant ist von Anfang bis Ende.

Brami: … und dass das auch alles anscheinend so akzeptiert wird, dass es so ist und deshalb wird es so gemacht. Es wird ein fettes Myspace-Profil gemacht und das gehört alles dazu. Ach, ich interessier mich halt auch eher fürs Musikmachen. Dieses ganze Drumherum ist insgesamt viel mehr geworden.

Indiestreber: Die Broilers haben mir im Interview gesagt, der größte Fehler einer Band sei es, die Musik nicht wegen der Musik zu machen, sondern um Erfolg zu haben. Das ist ja in etwa dasselbe Problem. Bands denken heute, wenn sie sich auf eine bestimmte Art und Weise  verhalten, haben sie damit mehr Erfolg, als wenn sie auf die Bühne gehen, Konzerte spielen, einfach sie selbst sind und Spaß haben.

Nagel: Es gibt so einen Satz von Jörg Fauser, da geht es zwar um Schriftsteller aber da sagt er sinngemäß: „Ein Schriftsteller, der nicht gelesen wird, ist eine pathetische Figur.“ Das kann man schon auch auf Musik übertragen. Ich wehre mich nicht dagegen, dass meine Musik gehört wird und ich möchte auch, dass meine Musik gehört wird. Es geht mir nicht darum, irgendwem Erfolgsgeilheit vorzuwerfen. Es geht mir eher darum, dass vieles so langweilig geworden ist. Ich finde es gibt heutzutage immer noch viel gute Musik. Ich gehöre überhaupt nicht zu denen, die nur 30 Jahre alte Platten hören. Nur dadurch, dass es so viele Bands gibt, ist es noch mühsamer, sich da durchzuwühlen und die paar guten dann rauszupicken. Heute spielen wir zum Beispiel mit tierisch vielen Brüllbands zusammen. Es ist mir einfach zu mühsam. Ich steh auf Converge aber ich brauche keine einzige andere Band, die so ähnlich klingt.

Indiestreber: Eine andere Frage. Ich habe in einem Interview mit dir nach der Boardsteinkantengeschichten-Veröffentlichung gelesen, dass du meintest, keine Band ist immer hundertprozentig mit dem Publikum zufrieden, das vor ihnen steht. Ihr spielt auf dem Melt!, was mehr oder weniger ein Elektro-Festival ist, ihr spielt heute auf einem Hardcore-Festival … Gibt es ein Wunschpublikum für euch?

Nagel: Ich finde unser Publikum relativ in Ordnung. Ich glaube, dass der Dumpfbacken-Anteil im Muff Potter Potter-Publikum deutlich kleiner ist als bei vielen anderen Bands, die Gitarren-Musik machen. Von daher habe ich nichts gegen unser Publikum. Andererseits haben wir uns schon immer dagegen gewehrt, jemandem, nur weil er meine Band gut findet, zuzugestehen, dass er sich alles rausnehmen darf. Früher, als wir in so einem Deutschpunk-Kontext unterwegs waren, hatten wir zum Beispiel ganz massive Probleme mit so einem Idioten-Pogo auf unseren Konzerten. Leute, denen es scheißegal war, ob Muff Potter oder irgendwer anders spielt. Hauptsache sie können halt ihren völlig hässlichen, unästhetischen, asozialen Tanz aufführen. Da muss ich nicht sagen, dass ich das gut finden würde. Das hat nichts damit zu tun, dass man sein Publikum verachtet, sondern vielleicht sogar im Gegenteil, dass man sein Publikum auch ernst nimmt und dass das Publikum auch elementar wichtig ist für ein Konzert. Das ist ja das alte Punkrock-Ideal. Es ist eben nicht so: „Hallo. Wir spielen. Ihr hört zu und dann kauft ihr bitte noch was und verpisst euch!“ Sondern, dass alle dafür verantwortlich sind, dass es cool wird.

Indiestreber: Ihr habt bestimmt die Kritiken zu eurer neuen Platte „Gute Aussicht“ gelesen. Da gab es zum Beispiel im neuen OPAK Magazin sinngemäß „Ein bisschen weicher und sie klingen wie die Thermals…“

Brami: Die Thermals sind doch super!

Nagel: Wobei die Thermals doch klingen wie die Ramones mit Fender-Verstärkern…

Indiestreber: Gab es eine Kritik, die ihr besonders gut fandet oder die ihr besonders gern gelesen habt?

Brami: Es war natürlich schon auffällig, dass 95 Prozent der Kritiken in die Richtung gingen „wieder rauer“ / „so wie früher“. Das ist ganz lustig, weil ich persönlich das für nicht so stichhaltig halte, weil ich finde es gibt eine relativ, naja nicht unbedingt lineare Entwicklung in der Band, aber auch keine Brüche, was den Stil betrifft. Ich finde, die neue Platte ist musikalische eine Fortsetzung der alten. Die Produktion, also die Art wie wir es aufgenommen haben, hat wahrscheinlich viel mehr dazu beigetragen, wie es in der Wahrnehmung bei den Leuten ankommt.

Indiestreber: Ein weiterer Punkt der dazu beiträgt ist, das ihr mit dem rauesten und härtesten Song „Ich und so“ angefangen habt.

Brami: Aber im Grunde war es früher nicht anders. Wir haben auf der Steady Fremdkörper auch nicht mit dem catchy Popsong angefangen. Da haben wir auch gesagt, wir nehmen „Ich bin doch kein Idiot“ als erstes, weil es dann für den Hörer auch nicht ganz so einfach ist.

Indiestreber: Trotzdem finde ich „Ich und so“ immer noch härter als „Alles nur geklaut“ und „Ich bin doch kein Idiot“.

Nagel: Es ist ja auch so. Klar, das war natürlich auch mit ein Gedanke, dass man einfach sagt, wer sich die im Plattenladen vielleicht über den Kopfhörer anhört, wird erstmal so denken: „Ach du scheiße, was ist denn jetzt los!“. Das ist natürlich auch eine Reaktion, die wir gut finden. Auch als Reaktion auf unsere Band, dass man irgendwie erstmal vor den Kopf geschlagen wird und gucken muss. Ob man das dann gut oder schlecht finden muss, ist erstmal die zweite Sache, aber es ist wichtig, dass am Anfang irgendwas Interessantes passiert. Das man halt nicht denkt…

Indiestreber: …“oh, die neue Muff Potter, klingt wie immer“…

Brami: … „die neue Metro Station Platte.“

Nagel: Aber wir haben uns eigentlich echt gefreut über die Reviews zur Platte. Ich finde Rezensionen – ich klinge wahrscheinlich total verbittert, weil ich alles langweilig finde – aber ich finde Rezensionen tatsächlich oft langweilig, weil sich wenig Mühe gegeben wird bei Rezensionen und viel abgeschrieben wird bei anderen und so.

Indiestreber: …bei PR-Texten meistens auch…

Nagel: Genau und wir haben ja dieses Mal zum Beispiel gar keinen Promo-Text mehr verschickt, sondern wir haben ein Fanzine beigelegt. Man konnte also gar nicht so leicht abschreiben. Ich war sehr positiv überrascht von den Reviews, die es zur Platte gab. Also nicht nur, dass die meistens gut angekommen ist, sondern auch, dass ich das Gefühl hatte, dass die Leute sich wirklich mit unserer neuen Platte auseinander gesetzt haben. Auch Fans aber auch Journalisten.


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