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Eine musikalische Reise durch die Zeit. Teil 63: What have you done, Mark David Chapman?

von | 9.Mai 2010

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…And You Will Know Us By The Trail Of Dead – Mark David Chapman

Es ist der 8. Dezember 1980, etwa 17 Uhr. John Lennon, der frühere Beatle und als Ikone der Friedensbewegung noch immer ein Weltstar, verlässt zusammen mit seiner Frau Yoko Ono die gemeinsame Wohnung im Dakota Building in New York City, um ins Studio zu fahren. Draußen vor dem Haus drückt ihm jemand seine aktuelle Platte „Double Fantasy“ in die Hand, Lennon signiert sie und gibt sie dem vermeintlichen Fan zurück. Der Fotograf Paul Goresh, der zufällig daneben steht, macht ein Bild davon. Es ist das letzte Foto, auf dem John Lennon lebend zu sehen ist.

Der jemand war Mark David Chapman. Er steht immer noch vor dem Haus, als Lennon um kurz vor elf zurückkommt. „Mr. Lennon?“ sagt er unsicher fragend, als dieser an ihm vorbeigeht. Dann holt er einen 38mm Revolver aus seiner Tasche und schießt Lennon fünfmal in den Rücken. Ein Schuss trifft die Aorta, Lennon verliert viel Blut, den Transport ins Krankenhaus überlebt er nicht. Chapman setzt sich derweil auf den Bürgersteig vor dem Haus und schlägt das Buch auf, welches ihm mehr bedeutet als alles andere auf der Welt – „Der Fänger im Roggen“ von J.D. Salinger.

Seit seiner Kinderheit ist Chapman von diesem Roman besessen und identifiziert sich mit dessen Hauptfigur Holden Caulfield. Früher am Tag kauft er sich extra noch ein Exemplar des Buches, denn seines hat er zuhause in Hawaii vergessen. Auf eine Seite hat er folgende Worte geschrieben: „This is my statement“, unterzeichnet hat er sie mit „Holden Caulfield“. Als die Polizei eintrifft, findet sie Chapman lesend vor. Ohne sich zu wehren, lässt er sich verhaften.

Wer Mark David Chapman ist, und was sein Motiv war, lässt sich nur schwer sagen. Sein Leben lang war Chapman eine zerrissene Persönlichkeit, die um ihre Identität rang. Seine Geschichte ist eine von krankhafter Obsession. Er war als „wiedergeborener“ Christ ein streng religiöser Mensch, außerdem zunächst ein Beatles-Fan. Teilweise unterschrieb er sogar Dokumente mit dem Namen John Lennon und heiratete so wie dieser eine Japanerin. Doch sein Idol wurde irgendwann zum Verräter und somit zum Feindbild. Später sagte Chapman einmal, der Mord sei ein Versuch gewesen, Lennons Berühmtheit auf sich selbst zu übertragen. Die Aufforderung dazu leitete er aus dem „Fänger im Roggen“ ab.

Doch auch nach allen möglichen Erklärungsversuchen bleibt am Ende die fassungslose Frage im Raum stehen:

What have you done, Mark David Chapman?

Vor Gericht plädierte Chapman gegen den Rat seines Anwaltes für „schuldig“. Im Schlussplädoyer trug er einen Absatz aus dem „Fänger im Roggen“ vor. Obwohl sechs von neun psychiatrischen Gutachten bei ihm eine psychotische Störung diagnostiziert hatten, wurde er für schuldfähig befunden und zu mindestens 20 Jahren Gefägnis verurteilt.

Und noch heute sitzt er für seine Tat im Gefängnis von Attica nahe Buffalo, fünf Anträge auf Haftentlassung wurden bereits abgelehnt. Wahrscheinlich wird er bis zu seinem Tod dort bleiben.


künstlerkollektiv:

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