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bayerns britischste band: ibsen (erlangen) vs. sickcity (münchen)
von ric. | 25.August 2009
aus bayern kam ja, mal abgesehen von frittenbude, schon lange nichts die klangwelt bewegendes mehr. die aufbruchsstimmung der weilheimer schule um the notwist und der augsburger schule um anajo scheinen fürs erste vorbei. die sportfreunde sind für den echten indiestreber irgendwo zwischen ballermann und fussballstadion verlorengegangen, und slut tauschen rock gegen kunst und versuchen sich nach der dreigroschenoper an einer schallnovelle in zusammenarbeit mit juli zeh.
im sommer 2009 sind mir allerdings gleich zwei platten in die hände gefallen, die mich wieder haben aufhorchen lassen. beide erinnern mich irgendwie an die ganzen jungen britischen bands, die indierock mit elektronischen elementen anreichern und damit fast schon discoesque tanzqualität erreichen – zum beispiel look see proof, late of the pier und vielleicht sogar die klaxons.
sickcity aus münchen habe ich live auf dem prima leben und stereo gesehen und mir gleich ihr frisch erschienenes debutalbum „arkham“ gekauft. „united we fall“ heisst der opener, und sänger conan kowalski reimt harold pinter auf nuclear winter (thomas pynchon lässt grüßen)1 – rein textlich-assoziativ schon mal um meilen interessanter als fast alles, was englischsprachliche deutsche bands sonst so über die lippen kommt. auch wenn die geschichten zwischenzeitlich etwas in rockmusikklischees abdriften („cocaine“, „crack whore“, „my daddy said“), sind sie so gut wie nie peinlich, und eine immer wiederkehrende julia gibt dem album den anschein einer kurzgeschichtensammlung mit rotem faden. musikalisch gibt der „witchking of goa“ am bass die richtung vor: ohne rücksicht auf verluste ab durch die mitte. am besten sind sickcity wenn sie eine frenetische klanglandschaft konstruieren über der synthetische nordlichter mäandern („united we fall“, „believe in god“, „no sports“, „arkham“).
von ibsen aus erlangen kommt am 28. august die debut-ep „graffiti in granada“ raus. das musikalische grundprinzip ist das gleiche wie bei sickcity: klassische bandbesetzung, erweitert durch elektronische elemente via laptop, synthesizer bzw. keyboard. das ergebnis ist ein sehr energetischer klang, der manchmal bewusst mit der harmonie bricht, um danach wieder zielsicher in die spur zurückzufinden, und mit minimalen screamo-elementen angereichert wird. textlich merkt man zumindest als deutscher nicht, dass hier eine deutsche band englisch singt. ibsen klingen für mich etwas souveräner, abgeklärter als sickcity und sind unbedingt geeignet für konzerte in verrauchten kellerclubs sowie die indie-tanzfläche um kurz vor vier, um das letzte bisschen frust abzuschütteln. oft wird das ganze als post-irgendwas bezeichnet – ich habe das gefühl dass es eher pre-irgendwas ist… vielleicht die vorreiter einer neuen bayerischen musikbewegung?
sickcity und ibsen lassen hoffen, dass bayern nicht wieder in den status eines musik-entwicklungslandes zurückfällt. fehlen nur noch ausreichend publikum und pressefeedback, um die hörimpressionen über die landesgrenzen hinaus dem geneigten musikliebhaber schmackhaft zu machen.
sickcity – arkham. (ab 31. juli 2009, Little Ted/Cargo Records) myspace / homepage
ibsen – graffiti in granada ep (ab28. august 2009, auf die plätze…) myspace
- womit wir bei gravity’s rainbow und somit bei den klaxons wären… assoziationskette lässt grüßen! [↩]
künstlerkollektiv: anajo, frittenbude, ibsen, juli zeh, klaxons, late of the pier, look see proof, sickcity, slut, sportfreunde stiller, the notwist, thomas pynchon
file under: jung und unschuldig, platten | 1 kommentar »
16.November 2009 at 8:50 pm
Zunächst muss ich dir zustimmen, dass Sickcity auf alle Fälle eine sehr aktuell interessantesten bairischen Bands ist. Ibsen sagt mir leider noch nichts, das muss ich wohl ändern.
Aber auch abseits der beiden gibt es gute neue Musik aus Bayern, wie ich finde! Die Vorreiter sind wohl LaBrassBanda und Schlachtfhofbronx. Zumindest werden die gerade durch die Welt gereicht, wie es wohl keiner gedacht hätte.
Ansonsten gibt es auf alle Fälle viele kleine Bands, die das Potential haben aufzusteigen – Sickcity ist ja ebenso noch auf keinem Zenit angekommen, zum Glück.