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Das Jahrzehnt aus Sicht der indiestreber. Teil 30: Jonas‘ 2009.
von jonas | 6.Januar 2010
Das Jahr 2009 dürfte euch allen ja noch gut im Gedächtnis sein, deshalb ohne viele Umschweife direkt zu den Kategorien.
Entdeckung des Jahres
„Wenn sie in deiner Stadt sind, hast Du etwas vor.“ Dieser Satz stand in der VISIONS über die Band DŸSE. Meine Neugier war damit geweckt. Kurz darauf habe ich dann auch noch irgendwo anders gelesen, dass sie die beste Liveband Europas seien. Und nachdem ich das durchgeknallte Gitarre-Schlagzeug-Math-Garage-Noise-Rock-Duo im Frankfurter Elfer Club erleben durfte, will ich dieser Aussage nicht widersprechen. Auch das 2009 erschienene Album „Lieder sind Brüder der Revolution“ ist übrigens sehr empfehlenswert und nur knapp nicht in meine Top Ten der Alben des Jahres gekommen. Absoluter Geheimtip auf jeden Fall.
Falls ihr noch Zweifel habt, seht selbst:
Dÿse @ KRH Fest, Prague, 25.10.2009
Hluch Crew | MySpace Musikvideos
Fassungslosigkeit des Jahres
Es ist tatsächlich möglich, im Jahr 2009 mehr nach den 80ern zu klingen und auszusehen als die 80er selbst.
La Roux – Bulletproof
Basslinie des Jahres
Das vergangene Jahr wird wohl kaum als das Jahr des Basses in die Geschichtsbücher eingehen. Auch wenn mit dem früheren Led Zeppelin-Bassisten John Paul Jones einer der coolsten Rock’n’Roll-Typen überhaupt wieder ins Rampenlicht zurückkehrte. Schließlich spielt der bei Them Crooked Vultures eher songdienlich, statt den Bass in den Vordergrund zu stellen.1 Und überhaupt steht bei kaum einer der Bands, die mich in diesem Jahr begeistern konnten, der Bass im Mittelpunkt. Manche verzichteten sogar ganz auf ihn (siehe weiter unten).
Eine wichtige Ausnahme gab es allerdings doch: Future Of The Left. Und deshalb geht der heißbegehrte Award „Basslinie des Jahres“ diesmal an Kelson Mathias für die Strophe von Drink Nike. Herzlichen Glückwunsch!
[youtube Z98JjoBwTRw]
Future Of The Left – Drink Nike (live)
Konzert des Jahres
Mit Matzes Bilanz kann ich nicht ganz mithalten, aber immerhin war ich 2009 auf vierzehn einzelnen Konzerten und auf vier Festivals. Wie viele Bands ich dort insgesamt gesehen habe, kriege ich leider nicht mehr genau rekonstruiert, aber auf jeden Fall waren etliche großartige Auftritte dabei. Über einige davon habe ich ja auch bereits geschrieben, und zwar über die von The Kills, … Trail Of Dead, Future Of The Left und Biffy Clyro sowie über das Phono Pop Festival.
Doch trotz beachtlicher Konkurrenz ist für mich eindeutig, was mein Konzert des Jahres war. Ich muss Matze voll und ganz zustimmen: Der Auftritt von Gisbert zu Knyphausen auf dem elterlichen Weingut in Eltville ließ sich einfach nicht toppen. An diesem Tag stimmte alles.
Video des Jahres
Ich bin eigentlich kein Fan des US-amerikanischen Schusswaffenfetischs, aber in diesem Fall ist das ganze schon verdammt cool:
The Dead Weather – Treat Me Like Your Mother
Alben des Jahres
It’s the final countdown…
10. Portugal. The Man – The Satanic Satanist
Auf Album Nummer vier machen Portugal. The Man verspielten Soul-Pop. Hippiemusik für das 21. Jahrhundert sozusagen. Dazu gibt es noch die aufwendigste CD-Verpackung des Jahres, mit der passenderweise die Sonne aufgeht. Wieso die Platte so heißt, wie sie heißt, ist mir allerdings bis heute schleierhaft. (längere Rezension)
9. Sonic Youth – The Eternal
Wer es mit über fünfzig schafft, so aufgekratzt und wild zu klingen wie knapp zwanzig Jahre zuvor, ohne dass es auch nur eine Spur aufgesetzt wirkt, hat meine Bewunderung sicher. „The Eternal“ von Sonic Youth ist ein beeindruckendes Spätwerk einer faszinierenden Band. Alt werden die wohl nie.
8. Muff Potter – Gute Aussicht
„Wenn’s am schönsten ist, soll man gehen“ lautet ein blödes Sprichwort. Muff Potter setzen das um und hören nach ihrem vielleicht besten Album und einer ausgedehnten Tour dazu überraschend auf. Schade drum, denn es gibt kaum andere deutsche Bands, die so gekonnt schlaue Texte mit rotzigem und melodieseligem Punkrock verbinden.
7. Biffy Clyro – Only Revolutions
Allen wohlfeilen Kommerzialisierungsvorwürfen zum Trotz: „Only Revolutions“ ist ein starkes Album. Zwar das bisher am wenigsten ausgefallene von Biffy Clyro, aber dennoch abwechslungsreich und gespickt mit guten Songs. Wenn sie mit diesem Album nicht endgültig groß werden, ist echt was faul in der Musikwelt.
6. Manchester Orchestra – Mean Everything To Nothing
Manchester Orchestra kommen nicht etwa aus einer Industriestadt Englands, sondern aus Atlanta, Georgia, und ihr 22-jähriger Frontmann und Hauptsongwriter Andy Hull sieht dank seines Vollbarts aus mit Mitte dreißig. Verwirrt? Dazu besteht kein Grund, denn die Band kombiniert auf ihrem fulminanten Debüt „Mean Everything To Nothing“ die besten Momente bekannter und beliebter Musikrichtungen zwischen Alternative Rock, Indie und Singer/Songwriter à la Saddle Creek. Und das mit einer guten Portion Leidenschaft und Rastlosigkeit.
5. Future Of The Left – Travels With Myself And Another
Es kommt meiner Meinung nach nicht ganz an ihr erstes Album „Curses!“ heran, aber nichtsdestotrotz ist „Travels With Myself And Another“ ein ganz wunderbarer Brocken voll widerspenstigem Noise Rock. Future Of The Left emanzipieren sich darauf weiter von Mclusky, bleiben aber genau so durchgeknallt. Außerdem enthält das Album mit You Need Satan More Than He Needs You ganz klar den Songtitel des Jahres.
4. Them Crooked Vultures – Them Crooked Vultures
In einem Jahr mit zahlreichen Supergroups2 haben diese drei es geschafft, den Vogel abzuschießen: Josh Homme, John Paul Jones und Dave Grohl in einer Band! Wer hätte gedacht, dass es je so weit kommen würde! Aber das beste ist, dass die großen Namen die hohen Erwartungen locker erfüllen. Them Crooked Vultures spielen zeitlosen Rock in ausgezeichneter Qualität, laut und doch unfassbar cool.
3. …And You Will Know Us By The Trail Of Dead – The Century Of Self
Die texanischen Tausensassas besinnen sich auf ihrem sechsten Album „The Century Of Self“ auf ihre Stärken und hauen einen ganzen Haufen opulenter und ausladender Prog-Rock-Songs raus. Diese sind allerdings nie zu verkopft, sondern immer schön krachig. Wenn es so weitergeht, werden … Trail Of Dead auch im nächsten Jahrzehnts Standards setzen. (längere Rezension)
2. I Might Be Wrong – Circle The Yes
Wenn euch schon The XX mit ihrem Minimal Indie-Pop überzeugen können, dann hört euch dieses Album an! Denn auch ohne Blog- und Feuilleton-Hype ist „Circle The Yes“ von der sträflich wenig beachteten Berliner Band I Might Be Wrong eine wesentlich spannendere Platte. (längere Rezension)
1. Japandroids – Post-Nothing
Es ist schon merkwürdig. Erstens, weil ich diese Platte erst nach Weihnachten zum ersten Mal hörte und sie mir in den darauffolgenden Tagen zwischen den Jahren verdammt schnell ans Herz gewachsen ist. Und zweitens, weil damit genau wie 2008 ein Duo auf dem ersten Platz meiner Alben des Jahres steht, das ganz auf den von mir doch so geschätzten Bass verzichtet. Wirklich erklären kann ich das auch nicht, aber wenn eine Gitarre, ein Schlagzeug und zwei Stimmen zusammen so klingen, kann man nur überwältigt sein. Acht Songs in knapp 36 Minuten, mehr brauchen Japandroids nicht, um sämtliche Emotionen zwischen Sehnsucht, Extase, Romantik und Frustration auszuformulieren. Die Essenz des Rock wurde selten deutlicher dargeboten als auf „Post-Nothing“. Und hat je irgendwer behauptet, ein sechsminütiger Song brauche mehr als drei Zeilen Text? Falls ja, hier wird er gründlich widerlegt.
Songs des Jahres
2009 war nicht das Jahr der einzelnen Hits, scheint es mir. Fast alle Lieder, die ich für meine Top 10 in Betracht gezogen habe, stammten auch von potenziellen Alben des Jahres. Aber ich bin ja sowieso niemand, der einzelne Songs rauf und runter hört. Von meinem Album des Jahres ist übrigens nur deshalb kein Song hier vertreten, weil ich momentan noch bei jedem Hördurchgang ein anderes Lieblingslied darauf habe.
Platz 1: Muff Potter – Niemand Will Den Hund Begraben
[youtube HYhz9_uKRO4]
Platz 2: I Might Be Wrong – It Takes Two To Tango
[youtube zEFa51d5Q1k]
Platz 3: Biffy Clyro – That Golden Rule
[youtube NDmeMjsV35U]
Platz 4: Them Crooked Vultures – Elephants
Platz 5: Future Of The Left – Arming Eritrea
Platz 6: …And You Will Know Us By The Trail Of Dead – Isis Unveiled
Platz 7: DŸSE – Treppe
Platz 8: The Mars Volta – Since We’ve Been Wrong
Platz 9: The Builders And The Butchers – Down In The Hole
Platz 10: Art Brut – DC Comics And Chocolate Milkshake
So, das wars mit dem indiestreber-Jahresrückblick 2009 der Redaktion, weiter geht es mit der Auswertung des Leserpolls3 und einer abschließenden Zusammenfassung des gesamten vergangenen Jahrzehnts.
- Was bitte nicht als Kritik missverstanden werden soll! Zusammen mit Dave Grohl bildet JPJ eine wirklich fantastisch Rhythmusgruppe. [↩]
- im Indie-Bereich unter anderem noch The Dead Weather und Monsters Of Folk [↩]
- plus erweitertem Redaktionskreis [↩]
künstlerkollektiv: ...and you will know us by the trail of dead, art brut, biffy clyro, DŸSE, future of the left, Gisbert zu Knyphausen, i might be wrong, Japandroids, la roux, Manchester Orchestra, Monsters Of Folk, muff potter, portugal. the man, sonic youth, The Builders And The Butchers, the dead weather, the kills, the mars volta, the xx, Them Crooked Vultures
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kommentare verboten. was wir schreiben, stimmt auch.